Bevor ich die Thesis angemeldet habe, wollte ich für mich selber zuerst einmal klarstellen was ich genau vorhabe. Das hat wirklich enorm viel Zeit in Anspruch genommen aber ich bin froh, die Thesis nicht einfach blind angemeldet zu haben, denn dann hätte mir mein Perfektionismus definitiv das Genick gebrochen.

Die Arbeit ist unter dem Titel Konsummotorik – Künstlerische Installation zu unterbewussten Werbemechanismen angemeldet. Ich plane eine circa 2m x 2m x 2m große interaktive Rauminstallation, die mittels eines Kinect-Sensor getracked wird. Das Tracking steuert eine Videocollage, die von oben herab direkt auf das Geschehen projiziiert werden soll und deren Tonspuren über zwei gegenüberliegende Boxen abgespielt werden. Das „Geschehen“ beschreibt dabei ein oder mehrere Rezipient:innen, die mit einer überdimensional großen Motorikschleife spielen und währenddessen mit Werbebotschaften beschallt werden.
Thematik
Mir war es schon relativ lange ein großes Anliegen das Thema Kapitalismus mit meiner Bachelor-Thesis zu bearbeiten. Da dieses Thema unheimlich viele Facetten hat und extrem viele Themen tangiert, habe ich damit natürlich die Büchse der Pandora für meine Perfektionismus geöffnet. Letztendlich bin ich dann über Umwege bei dem kleinen Teilbereich gelandet, den ich eigentlich gar nicht bearbeiten wollte: Der Werbung. Inwieweit genau ich das Kinderspielzeug mit meiner gewählten Inhaltlichkeit verknüpfen will, erläutere ich in einem späteren Beitrag ausführlicher. Um fürs Erste einen groben Einblick in das Projekt zu geben, umreiße ich stichwortartig die Inhalte, die ich bisher ausgewählt habe.
Beschreibung der Inhalte
Werbung für Kinderspielzeuge aus den 90er Jahren
Stichworte: Frühkindliche Konsumerziehung durch Werbung; Erziehung zu einer kapitalistischen Konsumweise (Konsum, der über das Notewendige hinaus geht); Erwecken von Begehrnissen bzw. Vermittlung der Illusion, dass der Kauf von Waren glücklich mache; allgemein: Indoktrination, Beeinflussung und Manipulation in der Kindheit.
Youtube-Video einer Fashion-, Beauty- und Lifestyle-Influencerin (Rezension eines „Billig-China-Onlineshops“ für Kleidung)

Stichworte: Werbung, die überwiegend von Menschen produziert wird, die in ihrer Kindheit vermutlich genau den oben gezeigten Werbespots ausgesetzt waren (Millenials/Generation Y), moderne Erscheinungsform der Werbung, wesentlich subversiver als traditionelle Werbespots, Youtubekanäle von Influencern können teilweise mit Dauerwerbeschleifen verglichen werden; freiwilliges Reproduzieren von erlernten Werbemechanismen; unreflektierte „Konsumgläubigkeit“/internalisierter Kapitalismus.
Ausschnitte/Stills aus Enthüllungsdokumentationen zu Produktionsbedingungen in der Textilindustrie

Stichworte: Während des Konsumierens verdrängtes Wissen; Kosten des Lebensstils, den wir als westliche Gesellschaft führen; menschliche Kosten, die vorwiegend in nicht westlichen Ländern entstehen; Bilder des schlechten Gewissens, Verdrängung, Schuldgefühle.
Ausschnitte aus dem Hörbuch der Kurzfassung von „Karl Marx – Das Kapital“
Stichworte: Nüchterne Analyse des objektiven Konsum- und Produktionsgeschehen; Konterkarieren der aufgedrehten und künstlichen Werbewelt sowie des bedrückenden Industrie-Enthüllungsmaterial; Aufdecken des sich ins Absurde gesteigerten Konsumfetisches und der damit einhergegangenen Umdeutung des Warenbegriffs.
Fazit zu den Inhalten
Bei all den Inhalten bin ich mir noch nicht sicher, welche es letztendlich wirklich und in welcher Länge sowie Zusammensetzung in die Installation schaffen. Besonders das Verbinden der Kinderwerbung mit der Fashion- & Textilthematik bereitet mir noch Kopfzerbrechen.
Die Wahl des Mediums
Künstlerische Herangehensweise statt Design-Perspektive
Bei dem Thema Kapitalismus ist es unheimlich schwer nicht sofort in allgemeine und daher nichtssagende Kritik oder generische Lösungsvorschläge abzurutschen. Ich habe mich daher bewusst für eine künstlerische Herangehensweise entschieden, da ein Kunst-Objekt (anders als vielleicht ein Design-Produkt) nicht das Ziel verfolgen muss, eine Lösung für Probleme zu finden. Denn diese Kompetenz kann und will ich mir nicht anmaßen. Dafür fehlt mir auch noch langer Recherche-Arbeit immer noch das nötige Wissen und Verständnis der komplexen Wirkzusammenhänge. Mit der Kunstinstallation möchte ich nun also einen kleinen Teilbereich des riesigen Themenkomplexes beleuchten. Dabei geht es mir eher darum der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und den Status Quo künstlerisch zu untersuchen als zu versuchen das „Problem“ Kapitalismus an sich abzuschaffen. (Man sieht, ich kann mich einfach schlecht von meiner Meinung loslösen …).
Die angestrebte Wirkweise
Die Installation soll primär atmosphärisch wirken und im besten Fall Emotionen bei den Betrachter:innen auslösen. Sie soll einen Erfahrungsraum schaffen, ein immersives Erlebnis erzeugen, das jeder/jede Betrachter:in für sich selber deuten kann. Sekundär behandelt die inhaltlichen Ebene die Themen Werbung- und Konsumkritik, welche allerdings eher Mittel zum Zweck sind und im Dienste der atmosphärischen Wirkung stehen. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Installation kann kognitiv durchdrungen werden – muss es aber nicht.
Die Interaktivität
Da ich mir das hehre Ziel gesetzt habe, eine emotionale Reaktion in den Betrachter:innen auslösen zu wollen, habe ich mich für eine interaktive Installation entschieden. Die Interaktivität schafft durch die Aktivierung der Betrachter:innen einen besseren Zugang als es ein bloß passiv zu rezipierendes Werk schaffen könnte. Im besten Fall kann eine interaktive Installation die Aufmerksamkeitsspanne des Betrachters länger aufrecht erhalten als ein bloßes Video oder Schaubild. Ziel ist es also nicht ein Erklär- und Lehrvideo in der Installation zu bedienen, sondern mit dem eigenen „Spielverhalten“ eine abstrakte Videocollage zu erzeugen, die die komplexen kapitalistischen Zusammenhänge des eigenen Konsumverhaltens künstlerisch reflektiert. Mein Ziel ist es Unbehagen, Beengtheit und Überforderung bei den Betrachter:innen auszulösen. Ob dies tatsächlich klappt, wird sich wohl erst im Laufe der ersten Tests herausstellen. Vermutlich wird das Finetuning an dem Videomaterial und der damit verbundenen Wirkung noch enorm viel Zeit beanspruchen… und am Ende trotzdem nur bedingt die gewollte Wirkung erzeugen… 😀
Das Medium der Rauminstallation
Das Medium der räumlichen Installation soll die eben beschriebene Interaktivität unterstützen. Durch ihre übermenschlichen Dimensionen erlaubt sie ein besseres Eintauchen der Rezipient:innen in den Erfahrungsraum. Dadurch, dass es sich um ein überdimensional großes Spielzeug handelt, strahlt sie außerdem eher den Charakter eines Spielplatzes als den eines Kunstobjektes aus. Dieser Charakter könnte dabei helfen Hemmungen im Umgang mit der Installation abzubauen, da die „Bedienung“ dieses simplen Spielzeuges wohl nahezu fast jedem Menschen bekannt sein dürfte.
Der Ausstellungs-Kontext
Die Installation wird aufgrund der leichteren Umsetzung vorerst für einen musealen Kontext konzipiert. Perspektivisch kann und soll sie aber in den öffentlichen Raum übertragen werden können. Aufgrund des begrenzten Bearbeitungszeitraumes der Bachelor-Thesis und der begrenzten finanziellen Mittel (Ironie des Schicksals…) bleibt dies aber vorerst nur ein Ausblick.